Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er eines Abends müde war

Trainieren Ihr Hörverstehen
        




Der Arme und der Reiche

(Quelle: https://fabelheld.de/maerchen/grimms-maerchen/%E2%80%8Bder-arme-und-der-reiche.html)
Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den Menschen wandelte仿偟する, trugになる(zu|tra·gen) es sich zu, daß er eines Abends müde war und ihn die Nacht überfielを襲う(ü·ber·fal·len), bevor er zu einer Herberge宿屋 kommen konnte. Nun standen(ge·gen·über|ste·hen) auf dem Weg vor ihm zwei Häuser einander gegenüber, das eine groß und schön, das andere klein und ärmlich anzusehenを〕見て取る(an|se·hen), und gehörte(ge·hö·ren) das große einem reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte unser Herrgott 'dem Reichen富める者には werde ich nicht beschwerlich fallen負担ではない: bei ihm will ich übernachtenに泊まる.' Der Reiche, als er an seine Türe klopfen hörteノックする音を聞いて(zuのない)au, machte(auf|ma·chen) das Fenster auf und fragte den Fremdlingよそ者, was er suche. Der Herr antwortete 'ich bitte um ein Nachtlager.' Der Reiche guckte(an|gu·cken) den Wandersmann von Haupt bis zu den Füßen an, und weil der liebe Gott schlichte質素な Kleider trug(tra·gen) und nicht aussah(aus|se·hen) wie einer, der viel Geld in der Tasche hat, schüttelteを〕振る(schüt·teln) er mit dem Kopf und sprach 'ich kann Euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Kräuter und Samen薬草(Kraut)や種子, und sollteとしても ich einen jeden beherbergenを〕泊める, der an meine Tür klopft, so könnte ich selber den Bettelstab物乞いの杖(Stab) in die Hand nehmen. Sucht Euch anderswoほかの場所で ein Auskommen生計.' Schlug(zu|schla·gen) damit sein Fenster zu und ließ den lieben Gott stehen. Also kehrte ihm der liebe Gott den Rücken背中 und ging hinüberの方へ zu dem kleinen Haus. Kaumするやいなや hatte er angeklopft(an|klop·fen), so klinkte掛け金を外す(auf|klinken) der Arme schon sein Türchen auf und bat den Wandersmann einzutreten(ein|tre·ten). 'Bleibt die Nacht über bei mir,' sagte er, 'es ist schon finster真っ暗, und heute könnt Ihr doch nicht weiterkommen.' Das gefiel(ge·fal·len:3格) dem lieben Gott, und er trat zu ihm ein. Die Frau des Armen reichteを差し出す(rei·chen) ihm die Hand, hieß ihn willkommenにあいさつをする(hei·ßen) und sagte, er möchte sichs bequem machen楽にして und vorlieb nehmen好むように, sie hätten nicht viel, aber was es wäre, gäben sie von Herzen gerne.

Illustration von Franz Stassen, 1921 (Quelle: https://grimmbilder.fandom.com/de/wiki/Der_Arme_und_der_Reiche_(Illustrationen))
Dann setzte sie Kartoffeln ans Feuer, und derweilその間に sie kochten, melkteの〕乳を搾る(mel·ken) sie ihre Ziege雌ヤギ, damit sie ein wenig Milch dazu hätten. Und als der Tisch gedeckt食卓の用意をする(de·cken) war, setzte sich de r liebe Gott nieder und aß mit ihnen, und schmeckte ihm die schlechte Kost質素な食事 gut, denn es waren vergnügte Gesichter楽し顔む dabei. Nachdem sie gegessen hatten und Schlafenszeit war, rief die Frau heimlich ihren Mann und sprach 'hör, lieber Mann, wir wollen uns heute nacht eine Streu machen, damit der arme Wanderer sich in unser Bett legen und ausruhen休養する(aus|ru·hen) kann: er ist den ganzen Tag über gegangen, da wird einer müde.' 'Von Herzen gern,' antwortete er, 'ich wills ihm anbieten提供する(an|bie·ten),' ging zu dem lieben Gott und bat ihn, wenns ihm recht wäreよかったら, möchte er sich in ihr Bett legen und seine Glieder手足 ordentlich十分な ausruhen(aus|ru·hen). Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager寝床 nicht nehmen, aber sie ließen nicht諦めない(ab|las·sen) ab, bis er es endlich tatそれをするまで und sich in ihr Bett legte: sich selbst aber machten sie eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen standen sie vor Tag夜明け前 schon auf und kochten dem Gast ein Frühstück, so gut sie es hatten. Als nun die Sonne durchs Fensterlein schien und der liebe Gott aufgestanden(auf|ste·hen) war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges ziehen. Als er in der Türe stand, kehrte er sich um振り返る(um|keh·ren) und sprach 'weil ihr so mitleidig思いやりのある und fromm信心深い seid, so wünscht願う euch dreierlei3種類の, das will ich euch erfüllen叶える.' Da sagte der Arme 'was soll ich mir sonst..以外 wünschen als die ewige Seligkeit天の至福, und daß wir zwei, solang wir leben, gesund dabei bleiben und unser notdürftigesしのぎの為の tägliches Brot日々の糧 haben; fürs dritte weiß ich mir nichts zu wünschen.' Der liebe Gott sprach 'willst du dir nicht ein neues Haus für das alte wünschen?, 'O ja,' sagte der Mann, 'wenn ich das auch noch erhalten kann, so wär mirs wohl liebとても嬉しい.' Da erfüllte der Herr ihre Wünsche, verwandelteすっかり変える ihr altes Haus in ein neues, gab ihnen nochmals seinen Segen祝福 und zog weiter.

Es war schon voller Tag日の盛り, als der Reiche aufstand. Er legte sich ins Fenster und sah gegenüber ein neues reinliches綺麗な Haus mit roten Ziegeln赤レンガ, wo sonstふだんは eine alte Hütte gestanden hatte. Da machte er große Augen, rief seine Frau herbeiこちらへ und sprach 'sag mir, was ist geschehen? Gestern abend stand noch die alte elendeみすぼらしい Hütte, und heute steht da ein schönes neues Haus. Lauf(lau·fen) hinüber und höre, wie das gekommen ist.' Die Frau ging und fragteしつこく尋ねる(aus|fra·gen) den Armen aus: er erzählte ihr 'gestern abend kam ein Wanderer, der suchteを求める Nachtherberge安宿(Her·ber·ge), und heute morgen beim Abschied別れ hat er uns drei Wünsche gewährtを〕かなえる(ge·wäh·ren), die ewige Seligkeit永遠の至福, Gesundheit in diesem Lebenこの世での健康 und das notdürftige tägliche Brotしのぎの為の日々の糧 dazu, und zuletzt noch statt unserer alten Hütte ein schönes neues Haus.' Die Frau des Reichen lief eilig zurück und erzählte(er·zäh·len) ihrem Manne, wie alles gekommen war. Der Mann sprach 'ich möchte mich zerreißen引き裂く und zerschlagen砕く: hätte ich das nur gewußt!知ってさえいれば der Fremde ist zuvor hier gewesen und hat bei uns übernachtenに泊まる wollen, ich habe ihn aber abgewiesen(ab|wei·sen).' 'Eil(ei·len) dich,' sprach die Frau, 'und setze dich auf dein Pferd, so kannst du den Mann noch einholenに〕追いつく, und dann mußt du dir auch drei Wünsche gewähren lassen.'

Illustration von Hermann Vogel, 1894 (Quelle: https://grimmbilder.fandom.com/de/wiki/Der_Arme_und_der_Reiche_(Illustrationen))
Der Reiche befolgteに〕従う den guten Rat, jagte追跡する mit seinem Pferd davon und holte(ein|ho·len)く den lieben Gott noch ein. Er redete(re·den) fein上品な und lieblichあいそよい und bat' er möchts nicht übelnehmen, daß er nicht gleich wäre eingelassen中に入れてやる worden, er hätte den Schlüssel zur Haustüre gesucht, derweilその間に wäre er weggegangen(weg|ge·hen): wenn er des Weges zurückkäme(zu·rück|kom·men), müßte er bei ihm einkehren立ち寄る. 'Ja,' sprach der liebe Gott, 'wenn ich einmal zurückkomme, will ich es tun.' Da fragte der Reiche, ob er nicht auch drei Wünsche tun dürfte wie sein Nachbar. Ja, sagte der liebe Gott, das dürfte er wohl, es wäre aber nicht gut für ihn彼にとって良くないこと, und er sollte sich lieber...するほうがよい nichts wünschen. Der Reiche meinte, er wollte sich schon etwas aussuchenを選ぶ, das zu seinem Glück gereicheにとって利益, wenn er nur wüßte, daß es erfüllt würde. Sprach der liebe Gott 'reit(rei·ten) heim, und drei Wünsche, die du tust, die sollen in Erfüllung gehen実現する.'

Nun hatte der Reiche, was er verlangte求める, ritt heimwärts我が家 und fing an(an|fan·gen) nachzusinnenに〕思いふける(nach|sin·nen), was er sich wünschen sollte. Wie er sich so bedachte und die Zügel手綱 fallen ließ, fing(an|fan·gen) das Pferd an zu springen, so daß er immerfort絶えず in seinen Gedanken gestört wurde und sie gar nicht zusammenbringenをまとめる konnte. Er klopfte ihm an den Hals und sagte 'sei ruhig, Liese,' aber das Pferd machte aufs neue Männerchen. Da ward er zuletzt ärgerlich und rief ganz ungeduldigいらいらしながら 'so wollt ich, daß du den Hals zerbrächst!(zer·bre·chen)' Wie er das Wort ausgesprochen(aus|spre·chen) hatte, plump, fiel er auf die Erde, und lag(lie·gen) das Pferd tot und regte sich身動きする(re·gen) nicht mehr; damit war der erste Wunsch erfüllt. Weil er aber von Natur geizigけちな war, wollte er das Sattelzeug nicht im Stich lassenを手放す, schnitts ab(ab|schnei·den), hingsに〕掛ける(hän·gen) auf seinen Rücken, und mußte nun zu Fuß gehen. 'Du hast noch zwei Wünsche übrig残っている,' dachte er und tröstete sich自分を慰める(trös·ten) damit. Wie er nun langsam durch den Sand dahinging(da·hin|ge·hen) und zu Mittag die Sonne heiß brannte, wards(wer·den) ihm so warm und verdrießlich不機嫌な zumutになる, der Sattel drückte(drü·cken) ihn auf den Rücken, auch war ihm noch immer nicht eingefallenを思いつく(ein|fal·len), was er sich wünschen sollte. 'Wenn ich mir auch alle Reiche und Schätze der Welt wünsche,' sprach er zu sich selbst, 'so fällt(ein|fal·len) mir hernachあとになって noch allerleiいろいろな ein, dieses und jenes, das weiß ich im voraus前もって, ich wills aber so einrichtenになるようにする, daß mir gar nichts mehr übrig zu wünschen bleibt.' Dann seufzte(seuf·zen) er und sprach 'ja, wenn ich der bayerische Bauerバイエルンの農夫 wäre, der auch drei Wünsche frei hatte, der wußte sich zu helfenやるべき事, der wünschte sich zuerst recht vielかなりの量の Bier, und zweitens so viel Bier, als er trinken könnte, und drittens noch ein Faß Bierビールの樽 dazu.' Manchmal meinte er, jetzt hätte er es gefunden, aber hernach schiens(schei·nen) ihm doch noch zu wenig. Da kam ihm so in die Gedanken頭のなかで, was es seine Frau jetzt gut hätte, die säße daheim in einer kühlen Stube und ließe sichs wohl schmecken楽しんでいる. Das ärgerte ihn ordentlichとても, und ohne daß ers wußte, sprach er so hinに向けて 'ich wollte, die säße(sit·zen) daheim auf dem Sattel und könnte nicht herunter降りられないように, stattの代わりに daß ich ihn da auf meinem Rücken schleppeを〕運ぶ.' Und wie das letzte Wort aus seinem Munde kam, so war der Sattel von seinem Rücken verschwunden(ver·schwin·den), und er merkte, daß sein zweiter Wunsch auch in Erfüllung gegangen war. Da ward ihm erst recht相当に heiß, er fing an zu laufen und wollte sich daheim ganz einsam人のいない in seine Kammer hinsetzen腰掛ける und auf etwas Großes für den letzten Wunsch sinnen. Wie er aber ankommt(an|kom·men) und die Stubentür居間のドアー aufmacht, sitzt da seine Frau mittendrin真ん中に auf dem Sattel und kann nicht herunter, jammert嘆く(jam·mern) und schreit(schrei·en).

Illustration von Alexander Pock, 1900 (Quelle: https://grimmbilder.fandom.com/de/wiki/Der_Arme_und_der_Reiche_(Illustrationen))
Da sprach er 'gib dich zufriedenに我慢する, ich will dir alle Reichtümer(Reich·tum) der Welt herbeiwünschenの〕到来を切望する, nur bleib da sitzen.' Sie schaltをけなす(schel·ten) ihn aber einen Schafskopfまぬけ und sprach 'was helfen役立つ mir alle Reichtümer der Welt, wenn ich auf dem Sattel sitze; du hast mich daraufgewünscht願掛けする(wün·schen), du mußt mir auch wieder herunterhelfen.' Er mochte wollen oder nicht望むと望まざるとにかかわらず, er mußte den dritten Wunsch tun, daß sie vom Sattel ledig wäreを免れる und heruntersteigen könnte; und der Wunsch ward alsbald erfüllt. Also hatte er nichts davon als Ärger不愉快なこと, Mühe骨折り, Scheltworte罵り言葉 und ein verlornes(ver·lie·ren) Pferd: die Armen aber lebten(le·ben) vergnügt楽しげな, still und fromm平穏に信心深く bis an ihr seliges Ende安らかに息を引き取るまで.